Montag, 7. Februar 2011
RTL TV-Event:
Hindenburg - Teil 2
Trotz aller Beteuerungen gelingt es Merten (Maximilian Simonischek) nicht, Kapitän Lehmann (Ulrich Noethen) von seiner Unschuld sowie der Existenz einer Bombe an Bord zu überzeugen. Erst nachdem Jennifer (Lauren Lee Smith) in Rittenbergs Kabine Unterlagen über das geplante Attentat entdeckt, schenkt man ihm Glauben. Von da an herrscht helle Aufregung auf der ‚Hindenburg': Da Rittenberg tot ist, scheint klar, dass sich ein Komplize an Bord befinden muss, der die Bombe zünden wird. Fortan setzen Merten und die Crew alles daran, den Verräter ausfindig zu machen, um das drohende Fiasko doch noch zu verhindern.



In der Fortsetzung legt der Event-Zweiteiler endlich an Tempo zu, auch wenn die Holzhammer-Methode, mit der Regisseur Philipp Kadelbach ("Das Geheimnis der Wale") seine "Es ist eine Bombe an Bord!" Dramaturgie vorantreibt, auf Dauer einfach nur anstrengt. Überhaupt wirkt die Hatz zur Rettung über weite Strecken aufgesetzt, was auch an den immer noch arg platten Dialogen aus dem Klischee-Baukasten liegt. Alles wartet nur darauf, wann das Teil endlich hochgeht, und die Special Effect Abteilung ihr tricktechnisches Feuerwerk zündet. Das tut sie dann auch mit beeindruckender Wucht, aber die beeindruckenden fünf Minuten trösten kaum über die ansonsten Höhepunkt-freie Event-Inszenierung hinweg, die kaum Rücksicht auf die zahlreichen Figuren und den doch grossartigen Darsteller nimmt (abgesehen von einem Hauptdarsteller, der in der Synchro seinen Text nur lustlos herunterleiert). Tatsächlich ist der "Hindenburg"-Zweiteiler ein aufwendiges Event in einer lausigen Inszenierung, die einzig von der letzten halben Stunde lebt.
Bewertung: 4,5/10


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RTL-Zweiteiler "Hindenburg"
Friedlicher Riese, leicht entflammbar
Blut und Action, Sex und Kinderherzen: Für ihren RTL-Zweiteiler "Hindenburg" fackeln die Filmprofis von Teamworx gewohnt patent alle verfügbaren Effekte ab. Das legendäre Luftschiff selbst wird dabei aber leider zur Deko-Nebenrolle verdammt.

Am unwiderstehlichsten sind die kreativen Köpfe der Filmfirma Teamworx immer dann, wenn sie nicht nur dem Kopf trauen, sondern die elementaren Dinge hinter der Geschichte erspüren. Nico Hofmann, Sascha Schwingel und all die anderen sind so etwas wie die Vorsokratiker der deutschen Fernsehkunst: Ihre Filme huldigen keinem schwerelosen, experimentierfreudigen intellektuellen Glasperlenspiel à la Sokrates, sondern den alten ewigen Kräften, die die Welt und damit auch ihre Geschichten bestimmen.

So fanden sie in "Dresden" kaum überbietbare Bilder für Tod und Ersticken im Bombeninferno. Der "Tunnel" lehrte den ganzen Maulwurfswahn, der in einem Fluchttunnelbau unter der DDR-Grenze hindurch entstehen kann. "Die Sturmflut" beschwor die Gewalt des Wassers, "Die Luftbrücke" die Bewunderung für väterliche und erotische Aspekte militärischer Männlichkeit, und "Mogadischu" konzentrierte den Autismus des Terrors in Bilder der entführten Maschine "Landshut", die im Abendschein der ostafrikanischen Steppe stand - eindringlicher kann kein Dialog sprechen.

Bei "Hindenburg", dem neuen Zweiteiler aus dem Hause Teamworx, ist es schwieriger, auf den Mythos hinter den geschichtlichen Ereignissen zu kommen. Luftschiffe sind von heute aus gesehen wunderliche Wesen. Empfindliche Riesen, gravitätische Monster, liebenswürdige Fähren für menschliches Reisen, die mit ihren 125 Stundenkilometern von der tempofixierten technologischen Entwicklung gefressen wurden.

Käpt'n Iglo statt Graf von Zeppelin

Man muss sich vorstellen: In dieser von Dieselmotoren getriebenen Gas-Mongolfiere brummte man in Mittelgebirgshöhe über das Meer, konnte die Fenster öffnen, im Bauhaus-Ambiente tafeln, rauchen (unter Benutzung eines einzigen zugelassenen Feuerzeugs) und in Kabinen schlafen. In zweieinhalb Tagen erreichte man New York. Und unter dem mit Baumwollbahnen bespannten Schweberiesen hing wie ein schwächliches Gemächt die Führergondel, in der es aussah wie im Steuerhaus eines Küstenmotorschiffs, mit Maschinenhebel ("Volle Kraft") und einem seebärigen Käpt'n Iglo.



Gut möglich, dass sich Teamworx gern näher dem Geist dieses untergangsgeweihten Verkehrsmittels genähert hätte und den Pionieren dieser Technik Ferdinand Graf von Zeppelin und Hogo Eckener. Aber die Verhältnisse auf dem internationalen TV-Markt stehen solchen Seelenerkundungen deutscher Technikentwicklungen entgegen. Um den Film international zu verkaufen und C-Produzenten wie Jan Mojto zu befriedigen, müssen die weltweiten marktgängigen Sehgewohnheiten erfüllt werden, besonders wenn es um die letzte interkontinentale Fahrt eines deutschen Luftschiffs im Jahr 1937 geht.

Also willkommen an Bord: Katastrophenfilmangst und Rettungsopererleichterung, Naziverschwörer und Nazigegner, treue Kameraden und Kameradenschweine, schöne Frauen, schöne Männer, Blut, Action, sexuelle Demütigung und Kinderherzen. Für das Wunderbare eines Luftschiffes gibt es dagegen keine Haupt-, sondern nur eine Deko-Nebenrolle - so sehr sich die Macher mit Computersimulationen auch angestrengt haben.

Konventionen mussten beachtet werden. Die Sprache des Films ging durch das moderne Babylon: Auf Englisch wurde gedreht - das aber in den USA trotzdem als fremd empfunden wurde und neu synchronisiert werden musste.

Die Fiktion spekuliert auf hohem Filmniveau

Aber wie schon an der Koproduktion "Krieg und Frieden" zu beobachten, machen solche Anforderungen deutschen Schauspielern wenig aus. Sie schlagen sich prächtig. Heiner Lauterbachs Auslegung der Rolle des Luftpioniers Eckener steht Stacy Keachs Auftritt als zwielichtiger Unternehmer, der für seine Firma über Leichen geht, an Wucht in nichts nach. Maximilian Simonischek spielt einen baumlangen, gutgebauten und tatkräftigen Anti-Hamlet, der die American Beauty Lauren Lee Smith als Millionärstochter erobert. Jürgen Schornagel, ganz bärbeißiger Kapitän und weder durch Politik noch durch Reedereiinteressen verführbarer Sigismund-Rüstig-Charakter, überzeugt durch seine Standhaftigkeit - auch seinen Aufpasser (wie immer glänzend: Ulrich Noethen). Und was Hannes Jaenicke als schräge "Cabaret"-Figur, halbseiden und zugleich dämonisch wahrhaftig, abliefert, hält jeden Vergleich aus.



Dass Judenverfolgung nicht zu einem beliebigen Unterhaltungselement verkommt, sondern in "Hindenburg" haften bleibt, liegt an Christiane Paul. Der Regisseur Philipp Kadelbach ("Das Geheimnis der Wale") und die Kamera von David Slama schauen dieser Schauspielerin gerne und lang in die Augen, in denen sich eine Tragödie abspielt. Glänzend gezeigt wird hier die Erniedrigung einer Frau, die sich der erotischen Attacken eines Obernazis (Wotan Wilke Möhring) stumm, empört und zugleich verführbar erwehren muss.

Am 6. Mai 1937 geht das größte jemals gebaute Luftschiff "Hindenburg" in Lakehurst bei New York in Flammen auf. Von den 97 Menschen an Bord finden 35 den Tod. Die Ursachen sind nicht restlos geklärt. Hatte eine an Bord geschmuggelte Bombe etwas mit dem Untergang zu tun, wie der Film behauptet? War es der gefährliche Wasserstoff, der das Schiff tragen musste, weil die USA einen Exportstopp für das sichere Heliumgas verhängt hatten? Oder war es ein ungeeigneter Schutzanstrich? Niemand weiß es. Die Fiktion spekuliert hier auf sehr hohem Filmniveau. Und spielt die ganze Fülle der Erzählroutine aus.

Zum Mythos allerdings, zur Trauer darüber, wie ein großer und wunderlicher Techniktraum in Flammen aufgeht, stößt der Zweiteiler nicht vor.
Quelle: www.spiegel.de

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